Über die Motivation

Oder: Wie Sie die Motivation von allen Seiten packen.

Sommerzeit ist Joggingzeit. Zumindest bei mir. Ich schaffe es dann leichter als im Winter, morgens früh aufzustehen, meine Sportsachen anzuziehen und loszulaufen. Ich liebe die Ruhe, wenn der Tag erwacht, spüre die frische, kühle Luft, die mein Gesicht umweht, sehe, wie die aufgehende Sonne ein goldenes Licht zaubert und genieße meinen gleichmäßigen Atem, der die Gedanken sortiert. Vor ein paar Wochen habe ich mich genau daran erinnert und begonnen, meine Morgenroutine neu zu gestalten. Ich habe beschlossen, nach ein paar Jahren Pause, wieder joggen zu gehen.

An den Tagen, an denen das mit dem Aufstehen, um loszulaufen, nicht auf Anhieb klappt, brauche ich Motivation. Und da kann jede*r von uns zwischen drei Grundmotivatoren wählen: 1) „Hin-zu“ 2) „Weg-von“ und 3) Die Macht der Gewohnheit…

Wenn es ums Joggen geht, rufe ich mir das oben beschriebene Bild auf, um aufstehen zu können. Ich fühle mich so genau wie möglich in die positiven Gefühle ein. Oft stelle ich mir vor, wie es ist, nach dem Joggen zufrieden zu Hause zu sitzen. Ich nutze also eine „Hin-zu-Motivation“. Aber von vorne:

Weg-von: Der Quälgeist

Wenn wir etwas in unserem Leben von Grund auf verändern wollen, erleben wir häufig eine „weg-von“-Motivation. Weg-von dem stressigen Arbeitsplatz, weg-von dem Übergewicht, weg-von dem Partner, der nicht mehr zu mir passt, weg-von Prozessen, die nicht mehr zeitgemäß sind. Wir erleben meist einen wachsenden Leidensdruck. Ist der Leidensdruck groß genug, entscheiden wir, dass wir das so nicht mehr wollen. Wir sind motiviert etwas zu verändern. 

Als erster Schritt für eine Veränderung ist das schon ganz gut. Allerdings stolpern viele über den nächsten Schritt: Wo soll es denn hin? Welcher Arbeitsplatz ist besser, welches Gewicht passt zu mir, wie möchte ich mein Leben ohne Partner leben oder welche Prozesse sind denn hilfreich für unser Team? Ohne eine Vorstellung eines Ziels wird es schwierig, einen Weg zu finden. Wenn Sie an der Stelle der Frage des „was stattdessen?“ nachgehen, kommen Sie zur nächsten Form der Motivation.

Hin-zu: Die Vision

Wenn Sie sich oder ihre Situation verändern wollen, tun Sie gut daran, sich eine möglichst genaue Vision von dem zu schaffen, wo Sie hinwollen. Wie wird es sein, was sehen, riechen, schmecken, fühlen, hören Sie? Welche Emotionen werden Sie spüren? Je präziser wir unsere Visionen erschaffen, umso konkreter können wir auch die Schritte dorthin planen. Und wir wissen, wann wir angekommen sind. 

Aber Achtung! Beachten Sie immer auch, was Sie zurücklassen, wenn Sie losgehen. Manchmal gibt es auch bei unangenehmen Situationen versteckte Gewinne, die wir eigentlich gern behalten möchten. Diese aufzuspüren hilft, um uns nicht später unbemerkt zu sabotieren. Überlegen Sie gut, was Sie gern behalten möchten und überlegen Sie, wie Sie sich dies sichern können.

Jetzt sind Sie schon richtig gut auf dem Weg, aber hoppla, da liegt noch ein Stolperstein:

Die Macht der Gewohnheit: Das Vertraute

Veränderung ist anstrengend. Egal ob im privaten oder im beruflichen Bereich. Veränderung heißt, eine Routine aufzugeben und etwas Neues zu lernen. Die Macht der Gewohnheit kann uns da ganz schön im Weg stehen. Unser Handeln ist stark durch unbewusste Prozesse gelenkt. Was gut ist, da das kognitive Kapazitäten spart, und uns hilft, uns auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren. Manche Gewohnheiten schleichen sich jedoch ein und sind irgendwann nicht mehr gewollt. Die Schnuckereien vor dem Fernseher am Abend, die Sitzordnung beim Meeting, die Ablaufprozesse in einem Unternehmen. Bei manchen Handlungen wissen wir gar nicht mehr, warum wir diese so ausführen. Sie sind einfach zur Gewohnheit geworden.

Gegen die Macht der Gewohnheit anzukommen erfordert viel Kraft. Wir müssen bewusst unbewusste Mechanismen durchbrechen. Dazu müssen wir diese erst einmal aufspüren und erst dann können wir sie manipulieren. Schöne Übungen dazu sind, einmal den Arbeitsweg zu variieren oder beim Händewaschen die Bewegungen zu verändern. Das fühlt sich sehr, sehr komisch an. Aber je häufiger wir eine neue Handlung, einen neuen Gedanken, ein neues Ritual… durchführen, umso leichter wird es uns fallen. Und irgendwann wird das Neue zur Gewohnheit.

Alles im Blick

Wenn Sie im Team Veränderungen vornehmen wollen, hilft es, bewusst diese drei Motivationen im Blick zu behalten. Geben Sie jedem Anteil ausreichend Beachtung: Was wollen wir nicht mehr und was darf erhalten bleiben? Wo wollen wir hin? Welche Gewohnheiten (Prozesse) müssen wir dazu verändern? Wichtig ist auch, zu überlegen, wer im Team an alten Gewohnheiten festhalten mag, weil diese vertrauter und entspannter sind oder einen größeren Gewinn versprechen. Gerade diesen Menschen sollten Sie ganz genau zuhören. Sie können Ihnen vermitteln, welche relevanten Aspekte vielleicht übersehen wurden. 

Teamarbeit

Als ich an einem Morgen loslaufen wollte, war mein Sohn sehr aufgeregt, denn er wollte gerne mitkommen. Er hatte das bei seinem Freund und dessen Vater gesehen. Ich sollte joggen, er wollte mich auf dem Rad begleiten. Das war nicht ganz das, was ich mir unter einem ruhigen Lauf am Morgen versprach, aber wer kann da schon nein sagen… Und wissen Sie was? Ich habe mit ihm die wunderschönen Blumen bewundert, an denen ich sonst einfach vorbeilief, besondere Autos in unserer Straße entdeckt, ich bekam sehr viel Lob für meine schöne Hose und meine schnellen Schuhe. Überhaupt stellte mein Sohn fest, dass er gar nicht wusste, dass ich so schnell laufen kann. Und mein Sohn bekam Lob dafür, dass er so gut Rad fährt, dass er den Berg geschafft hat und dass er so toll durchgehalten hat. Ein richtig gutes Team, das die Anstrengung gemeinsam gerockt und sich gegenseitig bereichert hat. „Mama, warum bist Du nicht viel früher mal gejoggt?“

Ja warum eigentlich?!